Der Haferist

Der Haferist wohnt auf einem wehenden Haferfeld, weit weg von einer großen Stadt, genau da wo der Wind gern mit der Sonne spielt. Er sieht zart aus, deshalb hat er sich ein paar sehr schwere Schuhe gekauft. Das ist wichtig, weil er den Wind so mag, aber nicht dauernd umgepustet werden will. Weil er ein bisschen geübt hat, gewinnt er jetzt meistens, selbst wenn es mal richtig stürmt.

Eigentlich interessiert den Haferisten das Wetter sonst nicht so besonders. Er macht nämlich lieber Musik. Wenn er durch sein windiges Haferfeld läuft, zupft er hier und da an einem Stängel. Das klingt so schön! Die kleinen grünen Stängel tönen hoch und zart, die großen klingen tief und voll. Wenn er bei seinen Schritten „ eins, zwei, drei...eins, zwei, drei“ mitzählt, wird aus den Stängeltönen sogar eine Melodie, bei der man mittanzen kann. Das macht er dann auch. Wegen seiner vielen Berufserfahrung kann er jetzt schon Haferwalzer und Hafertwist. Es kommt aber auch vor, dass er zu lange Musik in dem Haferfeld macht und dann ganz zappelig wird. Zum Glück ruft seine Frau dann von weitem: „ Dich sticht wohl der Hafer?!“ Die Zappellieder klingen nämlich etwas wild und schräg. Deshalb gönnt sich der Haferist dann erstmal ein Haferstündchen am Wegesrand. Sobald er etwas Hafertee getrunken und zwei Haferkekse gegessen hat, wird er wieder ruhiger.

Nachdem er noch eine Sinfonie und einen Popsong gespielt hat, ist es höchste Zeit, nach dem Wind zu schauen. Damit kein Halm umknickt, muss der Haferist nämlich wissen, woher der Wind weht. Falls er das mal nicht gleich erkennen kann, schaut er einfach auf das Wetterfähnchen. Da steht drauf: „ Heute hier.“ Dann weiß er Bescheid und schnallt sich manchmal seine schweren Schuhe etwas fester.

Weil der Haferist schöne Musik machen will, müssen er und der Hafer ziemlich stark sein und gut gegessen haben. Deshalb kriegt die Hafererde einmal morgens und einmal abends viel Wasser mit Kraftvitaminen. Und der Haferist isst zweimal am Tag einen leckeren Haferbrei. Jeden Nachmittag ist Sportstunde mit Halme Festhalten, Sich Biegenlassen und Stehenbleiben Üben. Das gibt ganz schön Muskeln. Für beide.

Abends, wenn der Haferist seine Lieblingsschallplatte spielt, hören alle versonnen zu und werden ganz still. Am nächsten Morgen wiegen sich der Hafer, der Wind und der Haferist wieder zusammen und machen die himmlischste Musik.

Der Haferist hat einen schönen Beruf. Er muss sich den ganzen Tag um nichts anders kümmer als um Hafer.

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Monika (Sonntag, 02 April 2023 18:44)

    Was für eine wunderbare, leichte, natürliche, phantasievolle Geschichte..vor allem für unsere Kinder....

  • #2

    Rita (Sonntag, 02 April 2023 19:14)

    Herrlich was du dir so ausdenkst Frauke �